SAAB 90 Scandia

01.11.2014 EK
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SAAB 90 Scandia, Land: Schweden Mit der Scandia wagte Saab den Schritt in die Verkehrsfliegerei. Das neue Linienflugzeug konnte sich im Markt nicht behaupten, es wurden lediglich 18 Maschinen gebaut. Spannweite: 28,00 m, Länge: 21,30 m, Geschwindigkeit: 542 km/h.

Ab Anfang 1944 beschäftigte man sich bei SAAB (Svenska Aeroplan Aktiebolaget) in Linköping, mit einem modernen Mittelstreckenverkehrsflugzeug, das nach Kriegsende für den aufstrebenden Flugverkehr zur Verfügung stehen und die vorhandenen DC-3 ersetzen sollte. Nach einer gründlichen Analyse des zukünftigen Luftverkehrsmarktes Skandinaviens, Europas und Südamerikas gemeinsam mit der ABA Swedish Airlines gab der Vorstand von SAAB bekannt, mit der Entwicklung eines zweimotorigen Verkehrsflugzeuges für Kurz- und Mittelstrecken zu beginnen.
Mit der Schaffung eines solchen Flugzeuges wollte sich SAAB auch ein ziviles Standbein schaffen, da 1944 das Kriegsende abzusehen war, was zu drastisch reduzierten Stückzahlen der momentan gebauten Militärmaschinen, wie die SAAB 17 und SAAB 18, führen würde, die auch durch Neuentwicklungen wie die der SAAB J- 21 nicht ausgeglichen werden würden. Den überraschenden Erfolg der SAAB J-29 Tunnan konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand voraussehen.

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Im Pflichtenheft wurden folgende Rahmendaten gefordert

- Besatzung: 3 Mann
- Passagiere: 32
- zwei Motoren Pratt & Whitney R-2000 Twin Wasp
- Spannweite: > 30 m
- Länge: > 30 m
- Startmasse: ca. 11.600 kg
- Reisegeschwindigkeit: ca. 350 km/h
- Reichweite: mindestens 1.000 km

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Konstruktionsmerkmale der SAAB 90 Scandia

Der daraus resultierende Entwurf, er lehnte sich in seinen Abmessungen stark an die DC-3 an, war ein freitragender zweimotoriger Tiefdecker mit ovalem Rumpfquerschnitt in Ganzmetallbauweise, lediglich die Ruder waren stoffbespannt, mit einziehbarem Bugradfahrwerk und freitragendem Zentralleitwerk. Der Rumpf hatte einen ovalen Querschnitt und war in Schalenbauweise ausgeführt. Eine Druckkabine erachtete man bei der geplanten Reiseflughöhe von 3.000 m für nicht notwendig. Die Kabinenbreite von 2,32 m sollte ausreichen sein, dass vier Sitze pro Reihe bei einem Mittelgang untergebracht werden konnten. Allerdings waren die Sitze mit einer Breite von nur ca. 50 cm nicht besonders komfortabel. Der Mittelgang war mit 35 cm wohl eher auch nur für sehr schlanke Personen gedacht. Im Vergleich betrug die Kabinenbreite der DC-3 2,34 m. In dieser Konfiguration ließen sich acht Reihen unterbringen, was einer Kapazität von 32 Passagieren entsprach. Wurden komfortablere, also breitere, Sitze verwendet, konnten nur 3 Stück pro Reihe eingebaut werden, die Anzahl der möglichen Passagiere sank dabei auf 24. Im Rumpfheck war ein Waschraum mit Toilette untergebracht und im vorderen Kabinenbereich befanden sich eine Garderobe und eine kleine Pantry. Als Flugbegleiter waren zwei Stewards vorgesehen, deren Sitze sich in der Garderobe befanden. Die Kabinenhöhe von 1,78 m war auch nicht gerade üppig ausgelegt, hier hatte die DC-3 mit 2,01 m mehr Kopffreiheit zu bieten. Dies war durch das Flügelmittelstück begründet, welches durch den unteren Rumpf geführt wurde, so dass der eigentliche Kabinenboden erst den Holmen angebracht werden konnte. Dadurch entstand im Rumpfboden ein großzügiger Frachtraum von 11 Quadratmetern. An den Enden des Mittelflügels befanden sich die Motorgondeln, in die das am hinteren Holm angeschlagene Hauptfahrwerk hydraulisch eingefahren wurde. Die ebenfalls zweiholmigen Außenflügel waren Ganzmetallkonstruktionen und hatten über die ganze Länge Querruder und Landeklappen. Die Tragflächen hatten einen sich nach außen hin stark verjüngenden trapezförmigen Grundriss und schlossen mit einem Randbogen ab. Als Antrieb waren zwei luftgekühlte 14 Zylinder Doppelsternmotoren Pratt & Whitney R-2000 Twin Wasp mit einer Startleistung von 1.450 PS (1.066 kW) vorgesehen, die verstellbare Dreiblatt- Metallpropeller von Hamilton antrieben. Das Hauptfahrwerk, das je ein Rad trug, wurde hydraulisch nach vorn in die Motorgondeln eingefahren. Der Fahrwerkschacht wurde während des Fluges komplett mit Klappen verschlossen. Das Bugrad fuhr nach hinten in den Rumpfboden ein. Alle Räder wurden hydraulisch gebremst. Das Bugrad war um 50 Grad schwenkbar.

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Flugerprobung der SAAB 90 Scandia

Ende September 1946 war der Prototyp (Werknummer 90.001) fertiggestellt und die Bodenerprobung begann. Zu diesem Zeitpunkt ging die Bestellung von 11 Exemplaren der schwedischen ABA Swedish Airlines ein. Der Prototyp erhielt die offizielle Kennung SE-BCA und wurde gründlich zum Erstflug vorbereitet. Der erfolgreiche Jungfernflug fand dann am 22. November 1946 unter Leitung von Testpilot Claes Smith statt. Die Flugzeit betrug dabei 20 Minuten. Bei den folgenden Flügen stellte man ein gutmütiges Flugverhalten fest und besonders die Langsamflugeigenschaften wurden als sehr gut bezeichnet. Kam es bei zu niedrigen Geschwindigkeiten zum Strömungsabriß, dann ging diesem ein merkliches Vibrieren der Maschine voraus, dabei nahm sie die Nase nach unten, um wieder Fahrt aufzunehmen. Ebenso reagierte sie auf heftiges Überziehen. Das Flugzeug war allerdings leicht untermotorisiert, was aber im Einmotorenflug noch keine Probleme bereitete. Allerdings waren die Steuerdrücke zu hoch und die Abstimmung der Ruder insgesamt verbesserungswürdig. Auch die Motoraufhängung neigte zu Schwingungen und musste verstärkte Gummipuffer erhalten. Nach insgesamt 154 Stunden Flugzeit war die Erprobung des Prototypen abgeschlossen und während des Winters 1947748 wurden die notwendigen Umbauarbeiten an der Maschine vorgenommen. Sie erhielt auch die 200 PS stärkeren Twin Wasp R-2180, die Vierblatt-Verstellpropeller Hamilton Standard antrieben. Die Höhen- und auch das Seitenruder erhielten neue Anlenkungen und hydraulische Kraftverstärker, um die Steuerkräfte zu reduzieren. Auch wurde jetzt die Passagierkabine komplett eingerichtet. Am 7. Februar 1948 nahm man die weiteren Erprobungsflüge auf. Inzwischen waren von zwei brasilianischen Luftverkehrsgesellschaften, VASP und Aerovias do Brasil, insgesamt sechs Maschinen bestellt worden. Nach weiteren 700 Flugstunden erhielt die SAAB 90, inzwischen offiziell Scandia genannt, die staatliche Typenzulassung.

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Einsatz der SAAB 90 Scandia

Um den Absatz des Flugzeuges anzukurbeln, wurde eine Werberundflug unter dem Motto: ?In 113 Stunden in 11 europäische Länder? geplant und durchgeführt. Am 11. November 1948 startete die SE-BCA in Linköping nach Stockholm, weiter nach Oslo, Dublin, Prestwick, Gatwick, Jersey, Kopenhagen, Brüssel, Amsterdam, Genf, Zürich, Lissabon, Oporto, Madrid, Paris Helsinki zurück nach Linköping. Die totale Flugzeit betrug 113 Stunden, es wurden dabei 123 Starts und Landungen absolviert und insgesamt 1.200 Passagiere befördert. Der Bekannteste war in Amsterdam Prinz Bernhard der Niederlande. Die Gesamtflugstrecke betrug 37 250 km. In jeder Stadt wurde die Scandia zwar herzlich begrüßt und von den Vertretern der verschiedenen Luftfahrtgesellschaften besichtigt, aber die erwarteten Aufträge bleiben aus. Inzwischen hatte die ABA, die Gründungsmitglied der SAS geworden war, ihre Bestellung auf acht Maschinen reduziert. Die schwedische Luftwaffe versprach zwar, die freigewordenen Maschinen zu übernehmen, aber es fehlte an weiteren Kunden. Man lud nun Vertreter verschiedener Luftfahrtgesellschaften wie DNL, DDL, Fred Olsen, Aero Oy, FAMA, Swissair, Aerol Argentinas, KLM, Sabena, Garuda und andere nach Linköping ein, um die Scandia besser kennenzulernen. Bestellungen blieben aber Fehlanzeige. So startete am 16. August 1949 die SE-BCA mit sechs Zusatztanks, von denen jeder 400 Liter Kraftstoff aufnahm, zu einem Flug nach Paris. Hier baute man die Zusatztanks aus und die Maschine flog weiter nach Addis Abeba, wo sie am 23. August ankam. Am 24. August ging Kaiser Haile Selassie, der von Carl von Rosen, dem damaligen Berater der Äthiopischen Luftwaffe begleitet wurde, auf einen Rundflug, der aber keine Aufträge einbrachte. Über Luxor, Port Sudan, Asmara, Kairo und Athen ging es wieder zurück nach Paris. Dabei wurden teilweise Außentemperaturen von über 50 Grad problemlos gemeistert. In Paris baute man die Zusatztanks wieder ein und startete am 4. September nach Hartford, Connecticut, wo sich das Stammwerk von Pratt & Whitney befand. Mit zwei Zwischenlandungen in Prestwick und Thule (Grönland) dauerte der Flug drei Tage.
In Hartford wurden die Zusatztanks wieder ausgebaut und die Kabineneinrichtung vervollständigt. Das Werbeprogramm führte die Maschine unter anderem nach New York, Chicago, Washington, Miami, Los Angeles, Houston und San Francisco.
In Los Angeles flog Howard Hughes persönlich die Scandia und war durchaus von ihr angetan. Auch dieser große USA - Rundflug war zwar technisch ein Erfolg, führte aber zu keinen neuen Bestellungen. Am 14. Oktober kam die SE-BCA wieder in Hartford an. Dort sah sie der brasilianische Industrielle Olavo Fonoura und erwarb sofort das Flugzeug und ließ es sich in ein luxuriöses Reiseflugzeug umbauen.

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Die SAAB Scandia blieb eine Kleinserie

Die ersten Serienmaschinen wurden ab 1950 ausgeliefert, die SAS setze ihre acht Maschinen im skandinavischen Raum und nach Amsterdam, Brüssel und London- Heathrow ein. 1957 stellte die SAS ihre Scandia Flotte außer Dienst und die acht Maschinen wurden von der VASP übernommen. Inzwischen hatte die schwedische Luftwaffe entschieden, den neuen Strahljäger SAAB J-29 Tunnan als Standardjäger zu verwenden, was zur sofortigen Serienfertigung führte, so dass für die Scandia Fertigung kein Platz mehr vorhanden war und die Fertigung nach 12 Maschinen auslief. Nach langen Verhandlungen erklärte sich Fokker bereit in Amsterdam vorerst sechs Maschinen zu bauen. Zu einem weiteren Baulos bei Fokker kam es nicht mehr, weil Fokker mit der F-27 Friedship selbst in den Verkehrsflugzeugmarkt für Kurz- und Mittelstrecken einsteigen wollte und damit kein Interesse vorlag, ein Wettbewerbsprodukt zu fertigen. So blieb es bei 18 gefertigten SAAB 90 A-1 Scandia. Eine geplante Weiterentwicklung mit Druckkabine, einem größeren Rumpf und stärkeren Motoren wurde unter der Bezeichnung SAAB 90 B noch projektiert, aber zum Bau kam es nicht. Ein Exemplar, die Werknummer 90.016, ehemals VASP PP-SQR, hat überlebt und befindet sich im Luftfahrtmuseum Bebedouro in Brasilien. Diese Maschine wollte SAAB anlässlich des 50 jährigen Firmenjubiläums 1987 erwerben, am Ende war der verlangte Preis zu hoch und die Maschine blieb in Brasilien.

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Drei Scandias der VASP waren in schwere Unfälle verwickelt

Am 30. Dezember 1958 setzte während des Fluges von Rio de Janeiro nach Sao Paulo bei der PP-SQE ein Motor aus. Der Pilot wollte wenden und zurück nach Rio fliegen, dabei stürzte die Maschine bei Guanabara ins Meer. Von den 37 Insassen kamen 21 ums Leben.

Am 23. September 1959 kam die PP-SQV auf dem Flug von Sao Paulo nach Rio de Janeiro nach dem Start nicht auf Höhe und zerschellte nach 90 Sekunden am Boden. Von den 23 Insassen überlebte keiner.

Am 26. November 1962 stieß die PP-SRA auf dem Flug von Sao Paulo nach Rio de Janeiro über Paraibuna mit einer privaten Cessna 310 zusammen. Beide Maschinen beflogen den Luftkorridor AB-6 in gleicher Flughöhe in entgegengesetzten Richtungen. Es kamen dabei alle 23 Passagiere, die Besatzung der Scandia und die vier Insassen der Cessna 310 ums Leben.

SAAB 90 Scandia (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: SAAB 90 Scandia

Land: Schweden
Verwendung: Verkehrsflugzeug
Triebwerk: zwei luftgekühlte 14 Zylinder Doppel-Sternmotoren Pratt & Whitney R-2180-E 1 ?Twin Wasp? mit verstellbaren Vierblatt-Metallpropellern Hamilton Standard Hydromatic
Startleistung: je 1.650 PS (1.213 kW) mit Wassereinspritzung kurzzeitig 1.825 PS (1.342 kW)
Dauerleistung: 1.380 PS (1.015 kW) in 4.000 m
Besatzung: 3 Mann
Flugbegleiter: 2 Mann
Passagiere: 24 - 32
Erstflug: 22. November 1946

Spannweite: 28,00 m
Länge: 21,30 m
größte Höhe: 7,08 m
Rumpfdurchmesser: 2,80 m
Kabinenhöhe: 1,78 m
Kabinenbreite: 2,32 m
Kabinenlänge: 9,60 m
Kabinenvolumen: 38,00 m²
Frachtraum: 11,00 m³
Propellerdurchmesser: 3,67 m
Propellerfläche: 10,58 m²
Spurweite: 6,96 m
Flügelfläche: 85,72 m²
V-Form: +4°
Streckung: 9,15
Leermasse: 9.960 kg
Startmasse normal: 16.500 kg
Startmasse maximal: 17.240 kg
Tankinhalt: 3.412 Liter
Nutzlast: 3.200 kg
Flächenbelastung: 201,17 kg/m²
Leistungsbelastung: 5,22 kg/PS (7,09 kg/kW)
Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe: 420 km/h
Höchstgeschwindigkeit in 4.000 m: 452 km/h
Reisegeschwindigkeit in 4.000 m: 360 km/h
Landegeschwindigkeit: 130 km/h
Startstrecke über 15 m: 825 m
Landestrecke über 15 m: 565 m
Reiseflughöhe: 3.000 m
Gipfelhöhe: 7.500 m
Steigleistung: 6,5 m/s
Steigzeit auf 1.000 m: 3,00 min
Steigzeit auf 3.000 m: 8,5 min
Reichweite normal: 1.900 km
Reichweite maximal: 2.510 km
Flugdauer: 7 h

Text: Eberhard Kranz

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