Piaggio P.111

31.12.2016 EK
Piaggio P.111
Piaggio P.111 (Archiv: Eberhard Kranz)

Die Piaggio P.111 war ein erfolgloser Höhenbomber und Höhenaufklärer, trotz guten Flugleistungen blieb die Maschine ein Prototyp.

Entwicklungsgeschichte der Piaggio P.111

Im Sommer 1937 schrieb die Regia Aeronautica einen Wettbewerb für einen zweimotorigen Höhenbomber aus, den Piaggio gewann. Im Herbst 1937 forderte man dann Piaggio auf, einen detaillierten Entwurf für diesen schnellen zweimotorigen Höhenbomber/Höhenaufklärer vorzulegen. Die dreiköpfige Besatzung sollte in einer Druckkabine untergebracht werden.

Als Leistungsdaten wurden nun gefordert:

Flughöhe 12.000 m, Höchstgeschwindigkeit 550 km/h, Bombenlast 1.000 kg. Eine Abwehrbewaffnung war nicht gefordert.

Bei Piaggio übergab man das Projekt an Giovanni Casiraghi, der sich dieser komplexen Aufgabe mit seinem Entwicklungsteam annahm, denn es ging nicht nur um das Flugzeug allein, es mussten auch die Druckkabine und vor allem höhentaugliche Motoren entwickelt werden. Nachdem man die Möglichkeiten gründlich geprüft hatte, sagte Piaggio zu, ein solches Flugzeug zu entwickeln. 1938 wurde dann ein Vertrag zwischen der Regia Aeronautica und Piaggio über die Entwicklung und den Bau eines Prototyps des Höhenflugzeuges P.111 abgeschlossen. Der Prototyp sollte bis Ende 1940 der Regia Aeronautica zur Verfügung stehen. Cairaghis Entwurf sah einen zweimotorigen Tiefdecker mit einziehbarem Spornradfahrwerk und Normalleitwerk vor. Das Flugzeug sollte in Ganzmetallschalenbauweise gefertigt werden. Nach nochmaliger Prüfung durch die Regia Aeronautica war man mit dem vorgeschlagenen Flugzeug einverstanden und die Konstruktionsarbeiten konnten beginnen.

Piaggio P.111 (Archiv: Eberhard Kranz)

Hauptkonstruktionsmerkmale der Piaggio P.111

Der Rumpf mit kreisrundem Querschnitt nahm im vorderen Teil bis auf Höhe der Tragflächen die Druckkabine auf, die mit einem Überdruck von 0,53 at arbeiten sollte. Um den Druck, der von einem Kompressor der vom linken Motor angetrieben wurde, in der Kabine konstant halten zu können, wurde sehr sorgfältig auf die Abdichtung geachtet. Der Zugang für die Besatzung erfolgte von unten durch eine hermetisch abdichtende Luke im Boden der Druckkabine, während die Bodenluke im Rumpf eine normale nach unten klappbare Ausführung darstellte. Hinter der Druckkabine folgten der Hauptkraftstofftank und Bombenschacht. Zum Heck hin lief der Rumpf in eine Schneide aus und ging in das Seitenleitwerk über. Der gesamte Rumpf war in Schalenbauweise mit Spanten und Stringern und selbsttragender Leichtmetallbeplankung ausgeführt. Um eine aerodynamisch einwandfreie Oberfläche zu erhalten, wurden nur Senknieten verwendet. Außerdem kamen bei kritischen Stellen Heinkel-Explosionsnieten zur Anwendung. Die trapezförmigen Tragflächen waren zweiholmige Ganzmetallkonstruktionen mit tragender Leichtmetallbeplankung, wobei die Holme durch den Rumpfboden hindurchführten und mit dem dritten und fünften Rumpfspanten einen stabilen Verbund bildeten. Die gesamte Tragflächenhinterkante nahmen die Querruder und zwei durch die Motorgondeln geteilte Landeklappen ein. Die Querruder waren stoffbespannte Leichtmetallkonstruktionen, nur die Trimmklappen waren komplett aus Leichtmetall. Die Trimmung konnte auch im Fluge verstellt werden. Die Landeklappen waren mit Leichtmetall beplankte Aluminiumgerüste. Die Betätigung von Querrudern und Landeklappen erfolgte über hydraulische Kraftverstärkung durch Gestänge. In den Flügelwurzeln sollte die Bewaffnung von je einem 12,7 mm Maschinengewehr SAFAT mit je 250 Schuß untergebracht werden. Die beiden 18 Zylinder Doppelsternmotoren waren mit enganliegenden NACA verkleidet und in die Motorgondeln integriert. Oben auf der Motorverkleidung befand sich der Lufteinlauf für den Höhenlader. Hinter den Motorbrandschott befand sich der Schmierstoffbehälter mit 32 Litern Fassungsvermögen. Dann folgte der Hauptfahrwerkschacht, der mit Klappen verschlossen wurde. Das einrädrige Hauptfahrwerk war an einem hydraulisch gedämpften Federbein mit langen Federwegen aufgehängt und wurde hydraulisch mit einer Backenbremse abgebremst. Beim Einziehen, das ebenfalls hydraulisch erfolgte, klappte das Fahrwerksbein direkt nach hinten in den Fahrwerksschacht. Eine Notbetätigung erfolgte beim Ausfahren durch Lösen der Verrieglung per Seilzug und durch die Schwerkraft fiel das Hauptfahrwerk aus dem Schacht und verriegelte über einen Federmechanismus. Über eine Handkurbel konnte das Fahrwerk im Havariefall manuell eingefahren werden, was allerdings eine schweißtreibende Tätigkeit war. Das lenkbare ungebremste Heckrad konnte ebenfalls hydraulisch in das Rumpfheck eingezogen werden. Sowohl das eingefahrene Hauptfahrwerk wie auch das Heckrad ragten etwa noch zu einem Drittel aus der Verkleidung heraus, um bei Notlandungen die Motorgondeln und den Unterrumpf vor schweren Beschädigungen zu schützen. Das trapezförmige Seitenleitwerk hatte eine abgerundete Hinterkante die in den Rumpfsteiß überging. Es war eine mit Leichtmetall beplankte Metallkonstruktion. Das Seitenruder hatte einen Hornausgleich und war eine mit Stoff bespannte Leichtmetallkonstruktion, wobei die Trimmklappe komplett aus Leichtmetall gefertigt war. Die Trimmung war auch im Flug möglich. Das Höhenleitwerk, das oben am Rumpfheck angebracht war, stellte ebenfalls eine Ganzmetallkonstruktion dar, die einholmig ausgeführt war. Die Höhenruder entsprachen in ihrem Aufbau und in der Ausführung dem Seitenruder. Die beiden 18-Zylinder-Doppelsternmotoren Piaggio P.XII wurden mit einem zweistufigen Lader zu Höhenmotoren modifiziert, indem man eine Volldruckhöhe von 7.800 m erreichte. Der von Hand zu- und abschaltbare Radialverdichter wurde über eine Rutschkupplung und zwei Stirnradpaare mit 13.000 U/min von der Kurbelwelle angetrieben. Da dieser Laderantrieb von der Kurbelwelle her starke Wechselkräfte aufnahm, waren dämpfende elastische Kupplungsglieder wie Federräder, Torsionswellen und Rutschkupplungen zwischengeschaltet. Auch die Schaltkupplungen mußten sehr hohen Anforderungen erfüllen, da die Schaltung ohne Unterbrechung der Laderleistung und möglichst stoßfrei erfolgen sollte. Als das Flugzeug sich im Bau befand, entschied die Regia Aeronautica auf die Verwendung als Höhenbomber zu verzichten und stattdessen die Maschine als Höhenversuchsflugzeug zu verwenden. Damit waren die Bewaffnung und der Einbau des Bombenschachtes hinfällig geworden, auch der Zugang zur Druckkabine durch den Rumpfboden wurde als unnötig betrachtet und sollte nun durch eine kreisrunde Luke an der Backbordseite erfolgen. Nach vielen Versuchen war auch die zweistufige Laderausführung sicher funktionsfähig und das Flugzeug war Anfang 1941 fertig für die Bodenerprobung.

Piaggio P.111 (Archiv: Eberhard Kranz)

Erprobung der Piaggio P.111

Am 9. April 1941 startete Niccolo Lana zum erfolgreichen Erstflug. Die weitere Flugerprobung erbrachte sehr gute Leistungen, die Höchstgeschwindigkeit wurde in 5.000 m mit 575 km/h erflogen, allerdings ohne Bewaffnung und zusätzliche Bombenlast. Bereits im Juni 1941 übernahm die Regia Aeronautica die Maschine und begann mit dem Höhenforschungsprogramm. Ziel des Programms war die Entwicklung von Druckkabinen, Höhenflugausrüstungen und Höhenmotoren für den viermotorigen strategischen Bomber Piaggio P.108B. So wurde die P.111 versuchsweise auf die bei der P.108B verwendeten 14-Zylinder -Doppelsternmotoren Piaggio P.IX RC.60-72 umgerüstet, die mit dem zweistufigen Lader des P.XII ausgerüstet worden waren. Nach über 110 erfolgreichen Flügen und einer Gesamtflugdauer von über 450 Stunden wurde die P.111 im Sommer 1943 abgestellt und später verschrottet.

Piaggio P.111 (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: Piaggio P.111

Land: Italien
Verwendung: Höhenbomber, Versuchsflugzeug für große Flughöhen

Triebwerk: zwei luftgekühlte 18-Zylinder-Doppel-Sternmotoren Piaggio P.XII RC-10/2/V >Tornado< mit zweistufigen Lader und verstellbaren Dreiblatt-Metall-Propellern „Piaggio“
Startleistung:  je 1020 PS  (750 kW)
Dauerleistung:  je 825 PS (607 kW) in 9.500 m  

Baujahr: 1941
Besatzung: 2-3 Mann
Erstflug: 9. April 1941

Abmessungen:

Spannweite: 17,30 m

Länge: 12,40 m

größte Höhe: 3,91 m

Spannweite Höhenleitwerk: 5,46 m

größte Flügeltiefe: 3,32 m

größte Flügeldicke: 0,485 m

größte Rumpfhöhe: 2,14 m

größte Rumpfbreite: 1,82 m

Länge des Bombenschachtes:  3,20 m

Propellerdurchmesser: 3,40 m

Propellerfläche: 9,08 m²

Spurweite: 4,94  m

Radstand:  9,10 m

Flügelfläche: 40,00 m²

V-Form :+ 6,5 °

Streckung: 7,48

Massen:

Leermasse: 2.340 kg

Startmasse normal: 7.590 kg

Startmasse maximal: 8.450 kg

Tankinhalt:  1.560 Liter

Schmierstoff: 64 Liter

Flächenbelastung: 211,25 kg/m²

Leistungsbelastung: 4,23 kg/PS  (5,75 kg/kW)

Leistungen:

Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe: 540 km/h

Höchstgeschwindigkeit in 5.000 m: 575 km/h

Marschgeschwindigkeit in  5.000 m:  504 km/h

wirtschaftlichste Reisegeschwindigkeit in 4.000 m: 449 km/h

Landegeschwindigkeit: 145 km/h

Gipfelhöhe: 12.500 m

praktische Gipfelhöhe: 10.600 m

Steigleistung: 8,2 m/s

Steigzeit auf 1.000 m: 2,0 min

Steigzeit auf 3.000 m:  8,0 min

Steigzeit auf 6.000 m:  17,5 min

Steigzeit auf 10.600 m:  26 min

Reichweite normal: 1.760 km

Reichweite maximal:  2.150 km mit wirtschaftlicher Reisegeschwindigkeit: 449 km/h

Flugdauer:  5 h

Startstrecke: 350 m

Landestrecke: 350 m

Bewaffnung: keine
Bombenlast:  maximal 1.000 kg (vier 250 kg Bomben oder acht 100 kg Bomben oder achtzehn 50 kg Bomben )

Text: Eberhard Kranz

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