OKA-38 Aist

01.11.2014 EK
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OKA-38 Aist, Land: Sowjetunion Die OKA-38 war eine Kopie des Fieseler Storch. Ein Original Storch wurde einer sowjetischen Delegation 1939 von Hermann Göring geschenkt. Erst Stalin fand am Storch Gefallen und ließ ihn nachbauen. Der Krieg verhinderte den Serienbau. Spannweite: 14,28 m, Länge: 10,25 m, Minimalgeschwindigkeit: 51 km/h.

Am 24. August 1939 unterzeichneten der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotow und der deutsche Außenminister von Ribbentrop in Moskau im Beisein Stalins den Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt. Mit der Unterzeichnung trat auch der schon am 19. August 1939 unterzeichnete Deutsch-Sowjetische Wirtschaftsvertrag in Kraft, der der Sowjetunion einen Kreditrahmen des Deutschen Reiches über 200 Millionen Reichsmark zum Erwerb moderner Technik einräumte. Im Gegenzug sollte die Sowjetunion Rohstoffe und Getreide liefern. Neben Werkzeugmaschinen und Fabrikausrüstungen standen auf der sowjetischen Wunschliste die neuesten deutschen Flugzeuge ganz oben. Mitte Oktober 1939 reiste dann eine hochrangige Handelsdelegation aus Moskau nach Deutschland, deren Leiter Außenhandelsminister Tewossian war. Für die Gruppe der Luftflotte waren unter anderem die Konstrukteure Polikarpow, Gussew, Dementjew und Jakowlew, der Motorenbauer Kusnezow und die Piloten Schewtschenko und Petrow dabei. Ernst Udet , damals Chef des Technischen Amtes des RLM, Generalluftzeugmeister und Stellvertreter des Reichsministers für Luftfahrt in einer Person, ließ auf dem Flugplatz Johannisthal den sowjetischen Gästen die modernste deutsche Luftfahrttechnik am Boden und in der Luft vorführen und zum Kauf anbieten. Es wurden unter anderem vorgeführt Ju 88, Do 215, He 111, Fw 187, Fw 189, Hs 126, Ju 87, Ar 96, Bf 109, Bf 110 und He 100. Etwas abseits der langen Reihe dieser Flugzeuge stand eine Fi 156A-1, von der es damals erst nur eine Handvoll Exemplare gab und die Ernst Udet als sein Dienstflugzeug benutzte. Udet forderte auch dann den Delegationsleiter Tewossian auf, in die Maschine zu steigen. Selbst setzte er sich auf den Pilotensitz, startete den Motor und nach 50 m Rollstrecke befand er sich mit dem Delegationsleiter über dem Flugplatz Johannisthal. Udet zeigte, was in diesem unbeschreiblichen Flugzeug steckte, Langsamflug mit maximal 50 km/h, enges Kreisen und eine Punktlandung genau vor der Kantinentür, wo das Mittagessen für die Gäste gerade aufgetragen wurde. Tewossian war von dem eigenartigen Flugzeug begeistert, aber die anderen Delegationsteilnehmer wollten nur schnelle Jagd- und Bombenflugzeuge kaufen und nicht so einen unförmigen lahmen Vogel, die außerdem nur aus Stahlrohr, Sperrholz und Stoff bestand. Beim Abendempfang bei Göring beschrieb er diesem dann nochmals begeistert das Flugzeug und seinen Flug damit, was Göring veranlaßte, ihm generös den ?Storch? zu schenken.

Fieseler Fi 156 Storch (Archiv: Eberhard Kranz)

Nur Stalin war vom Fieseler Fi 156 A-1 Storch begeistert

Alle eingekauften Flugzeuge kamen Ende 1939 nach Moskau zur zentralen Erprobungsstelle der Luftstreitkräfte auf dem Gelände der Militärakademie ?Frunse?.
Hier wurden die Maschinen auf Herz und Nieren überprüft, geflogen und im großen Windkanal des ZAGI vermessen, um später in ihre Bestandteile zerlegt zu werden.
Diese Ergebnisse stellten dann die Meßlatte für die neuen, in der Entwicklung befindlichen, sowjetischen Typen, wie Jak-1, LaGG-1, MiG-1, Pe-2 dar. Nur für den geschenkten Storch wurden diese Untersuchungen nicht durchgeführt, da man von seiner Nützlichkeit nicht überzeugt war und die Luftstreitkräfte dafür keinen Bedarf sahen. Natürlich ließ der technisch sehr interessierte J.W. Stalin sich Anfang 1940 die deutschen Flugzeuge genau erklären und vorfliegen. Als der Storch an die Reihe kam, war er von dessen Flugeigenschaften so beeindruckt, daß er dem anwesenden A.S. Jakowlew, der damals gerade zum stellvertretenden Volkskommissar für die Luftfahrtindustrie ernannt worden war, sofort den Befehl gab, eine ähnliche Maschine zu entwickeln. Als Leiter für dieses Projekt schlug Jakowlew einen seiner leitenden Ingenieure seines Konstruktionsbüros, O.K. Antonow, vor. Antonow formierte eine kleine Gruppe von Konstrukteuren und Technikern am Flugzeugwerk Nummer 23 in Leningrad, wo die Maschine entwickelt und gebaut werden sollte. Anfang März 1940 nahm die Gruppe oder das Sonderkonstruktionsbüro Antonow seine Tätigkeit auf. Zuvor hatte Antonow in Moskau sich den Storch vorfliegen lassen. Später wurde er dort beim ZAGI demontiert, jedes Bauteil gemessen und dokumentiert. Das Flugzeug erhielt die Bezeichnung OKA-38 Aist, was auf Russisch Storch bedeutet. Im September 1940 war die Konstruktion abgeschlossen und der Bau der ersten Prototypen begann.

OKA 38 Aist (Archiv: Eberhard Kranz)

Konstruktionsmerkmale der OKA-38 Aist

Die OKA-38 war ein einmotoriger dreisitziger Schulterdecker in Holzbauweise mit abgestrebten Tragflügeln mit festen Vorflügeln, einem festen Heckspornfahrwerk und abgestrebtem Normalleitwerk. Es war eine annähernde Kopie der Fi 156 A mit einem sichtbaren Unterschied: Als Triebwerk verwendete man einen luftgekühlten hängenden Sechszylinder-Reihenmotor Renault MV-6 Bengali, von dem 1935 die Sowjetunion eine Lizenz erworben hatte und der im Automobilwerk Woronesh als MW-6 in Serie gefertigt wurde. Der Rumpf bestand aus einem geschweißten Stahlrohrgerüst, das zusätzlich durch Hilfsspanten und Holzleisten, die die Form gaben, verstärkt wurde. Die Verkleidung erfolgte durch im Kunstharz getränkter Leinwand. Der Motor wurde von einem abnehmbaren Leichtmetallrahmen getragen, der mit Kugelpfannen an den vorderen Rumpfhauptspant angeschlagen war. Den Abschluß des Motorraumes bildete ein Brandschott zur Kabine hin. Die großzügig verglaste Kabine einschließlich der vorstehenden Scheiben, die einen ungehinderten Blick nach unten ermöglichten entsprach dem Vorbild.

OKA 38 Aist (Archiv: Eberhard Kranz)

Der russische Storch sollte in zwei Versionen gebaut werden

Von Anfang an sollten zwei Versionen entstehen, das Verbindungsflugzeug SS (Samoljot Swjasi russisch für Verbindungsflugzeug), das drei Personen Platz bot und das Sanitätsflugzeug Nr.2, das zur besseren Beladung auf der linken Kabinenseite eine zusätzliche Tür von 2,30 m x 1,10 m erhalten sollte. Vorgesehen war die Unterbringung zweier Liegen und zusätzlich eines Arztes oder Sanitäters. Der Tragflügel war zweiteilig aufgebaut. Die Holmanschlußbeschläge und die Anschlußbeschläge für die V-Strebe waren aus Stahl. Die zweiholmigen Tragflächenhälften, die durch je eine kräftige V-Strebe aus Stahlrohr zum Rumpf abgestrebt, waren reine Holzkonstruktionen, bestehend aus Pressholzformteilen mit Sperrholzbeplankung. Die Räume zwischen den Hauptrippen waren mit Stahldraht ausgekreuzt. Die Randbögen bestanden aus vier Lamellen aus Birkensperrholz. Zwischen Rippe 1 und Rippe 4 war in jeder Flügelhälfte ein Kraftstofftank eingebaut, der 114 Liter Kraftstoff aufnehmen konnte. Im Gegensatz zum Vorbild waren die Tragflächen bei der OKA-38 nicht beiklappbar. Als Profil hatte man das ZAGI-R11 gewählt. Die festen Vorflügel, ebenfalls aus Pressholz, gingen fast über die gesamte Tragflächenlänge. Die Querruder waren am Flügelhinterholm angelenkt und die Rudernase der Querruder bildete eine Torsionsröhre, während an die Ruderhinterkanten je zwei Trimmkanten angesetzt waren. Jedes Querruder verfügte über zwei Ausgleichsgewichte. Die Querruder wurden über Stoßstangen betätigt.
Die hölzernen Landeklappen, die als Wölbungs-Spaltklappen ausgelegt waren, verfügten über keine Ausgleichsgewichte und Ausgleichsruder. Sie ließen sich mittels Handkurbel, Kettenzug und Spindeltrieb bis auf 40° ausfahren. Bei einer normalen Landung waren sie auf 15° ausgefahren. Das Seitenleitwerk war eine an das Rumpfgerüst angeschweißte mit Stoff bespannte Stahlrohrkonstruktion mit Hornausgleich. Die zweiholmige Höhenflosse war einteilig aufgebaut, die Rippen bestanden aus Kiefernholz und die Verkleidung erfolgte mit Birkensperrholz. Das geteilte Hauptfahrwerk bestand aus zwei Dreibeinen von denen jedes ein ölgedämpftes Schraubenfederbein und zwei unter dem Rumpf an einem Bock angelenkte Schenkelstreben hatte. Am unteren Ende der Federstrebe war die Radachse angeschweißt. Die Hauptfahrwerksräder verfügten über Öldruckbremsen. Der Hecksporn war ebenfalls ölgedämpft und bestand aus Stahlguß. Eine Bewaffnung war nicht vorgesehen.

OKA 38 Aist (Archiv: Eberhard Kranz)

Flugerprobung und Einsatz der OKA-38 Aist

Nachdem die ersten Prototypen Anfang 1941 im Flugzeugwerk Nummer 23 fertiggestellt waren, erfolgte dort auch die Flugerprobung, die problemlos verlief. Die illegale Storch Kopie erreichte zwar nicht die Leistungen des Originals, auch waren die allgemeinen Flugeigenschaften schlechter, doch die erzielten STOL Eigenschaften reichten immer noch aus, um die OKA-38 in den Großserienbau zu überführen. Als Serienwerk hatte man das Flugzeugwerk Nummer 365 NKAP, das ehemalige staatliche litauische Flugzeugwerk Karo Aviacijos Tiekimo Skyrius (K.A.T.S.) in Kaunas, wo man bis zur Besetzung durch die sowjetischen Okkupanten im Juli 1940 ANBO Flugzeuge gebaut hatte. Im März 1941 wurde Antonow zum Chefingenieur des Werkes ernannt und bereits im April 1941 begann die Herstellung der ersten Serienflugzeuge. Bereits am 22. Juni 1941, dem Beginn des deutschen Einmarsches in die Sowjetunion, wurde das Flugzeugwerk von deutschen Bombenflugzeugen angegriffen und total zerstört, dabei verbrannten auch alle bereits fertigen und auf die Abnahme wartenden und die in der Fertigung befindlichen OKA-38, so dass keiner von Stalins Störchen jemals in der Roten Luftflotte zum Einsatz kam. Eine Wiederaufnahme der Fertigung in einer anderen Fabrik kam nicht in Frage, die Prioritäten lagen eindeutig auf der Herstellung des Schlachtflugzeuges Il-2 und der Jagdflugzeuge von Jakowlew und Lawotschkin. Antonow kehrte bereits Ende Juni 1941 nach Moskau zurück und übernahm wichtige Funktionen bei der Verlagerung der Luftfahrtindustrie hinter den Ural.

OKA 38 Aist (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: OKA 38 Aist

Verwendung: Mehrzweckflugzeug
Als Sanitätsflugzeug 2 Mann und zwei Liegen
Triebwerk: ein luftgekühlter Sechszylinder-Reihenmotor MW-6 (Lizenz Renault Bengali) mit festen Zweiblatt-Holz-Propeller
Startleistung: 240 PS (177 kW)
Dauerleistung: 180 PS in 3.500 m (133 kW)
Erstflug: 1941
Besatzung: 3 Mann

Spannweite: 14,28 m
Länge: 10,25 m
größte Höhe: 3,36 m
Flügelfläche: 26,00 m²
Spannweite Höhenleitwerk: 4,80 m
Länge Vorflügel: 6,05 m
V-Stellung:
Spurweite im Flug: 1,86 m
Spurweite am Boden: 3,10 m
Hauptradabmessungen: 550 x 180
Propellerdurchmesser: 2,65 m
Propellerfläche: 5,52 m²
Leermasse: 927 kg
Startmasse normal: 1.260 kg
Startmasse maximal: 1.350 kg
Kraftstoff: 228 Liter
Schmierstoff: 16 Liter
Flächenbelastung: 51,92 kg/m²
Leistungsbelastung: 5,62 kg/PS (7,64 kg/kW)
Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe: 166 km/h
Höchstgeschwindigkeit in 4.000 m: 173 km/h
Reisegeschwindigkeit in 3.500 m: 142 km/h
Minimalgeschwindigkeit: 51 km/h
Landegeschwindigkeit: 45 km/h
Gipfelhöhe: 4.400 m
Steigleistung: 4,3 m/s
Steigzeit auf 1.000 m: 4,0 min
Steigzeit auf 4.000 m: 20,0 min
Reichweite normal: 460 km
Reichweite maximal: 520 km
maximale Flugdauer: 3,5 h
Startstrecke: 80 m
Landestrecke: 95 m

Text: Eberhard Kranz

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